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Was ist NS-Raubgut?

Als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut oder NS-Raubgut werden sämtliche Kulturgüter betitelt, die aus „rassischen“, religiösen, politischen oder weltanschaulichen Gründen in der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 durch die NS-Exekutivorgane ihren rechtmäßigen Eigentümer*innen entzogen worden sind. Als NS-Raubgut sind auch Objekte zu bewerten, die unter Zwang und mitunter weit unter Wert veräußert wurden, um die Existenz zu sichern oder eine Emigration zu finanzieren.

Das Buch als Kulturprodukt fällt auch unter diese Kategorie. Bibliotheken dienten als Sammelstellen für beschlagnahmte Literatur oder erwarben wertvolle Buchbestände, die aus dem Besitz von in der Regel als „jüdisch“ verfolgten Personen stammten. Haus- und Privatbibliotheken standen genauso im Fokus wie Partei- oder Institutsbibliotheken. Die mit der Verwertung des Kulturgutes betrauten NS-Exekutivorgane hatten darauf uneingeschränkten Zugriff. Auf verschiedensten Wegen gelangte NS-Raubgut in die öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken. Die Berliner Stadtbibliothek (BStB) war eine davon.

Die historischen Bestände der Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Mit den Berlin-Sammlungen sammeln und verzeichnen wir das kulturelle Erbe Berlins. Unsere Bestände umfassen aktuelle und historische Medien nahezu aller Literatur- und Sachgebiete, die mit dem Thema Berlin verbunden sind.

Die zentrale Aufgabe des Arbeitsbereichs Provenienzforschung ist die Untersuchung und Identifikation der geraubten Bücher und ihrer Wege nach dem verfolgungsbedingten Entzug. Eine Rückgabe von eindeutig identifiziertem NS-Raubgut an die rechtmäßigen Erb*innen, Erbgemeinschaften oder Rechtsnachfolger*innen ist unser primäres Ziel.

Die identifizierten Bücher sind oftmals die letzten Zeugnisse ihrer Vorbesitzer*innen und bilden damit eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Unsere Arbeit trägt dazu bei, den Nachfahren Informationen zum Schicksal ihrer Vorfahren zu liefern und so Lücken in der Familiengeschichte zu schließen. Hinter jedem geraubten Buch verbirgt sich ein Schicksal. Dadurch bewegen wir uns auf einem emotional sehr sensiblen Forschungsgebiet, das einen Beitrag zur Aufarbeitung von NS-Unrecht leistet.

1,1 Millionen Bücher

Aktuell gehen wir im Bestand der ZLB von 1,1 Millionen Büchern aus, die im Fokus unserer Forschung stehen und NS-Raubgut sein könnten. Jedes dieser Objekte muss identifiziert, auf Spuren untersucht und dokumentiert werden. Handschriftliche Eintragungen, Stempel, Exlibris und Signaturen weisen uns dabei den Weg, und lassen uns im Idealfall Rückschlüsse auf den Vorbesitz ziehen. Neben Büchern sind weitere Sammlungsobjekte wie Manuskripte, Plakate oder Tonträger zu berücksichtigen.

Mit unseren Rechercheergebnissen pflegen wir einen transparenten Umgang. Alle identifizierten Provenienzmerkmale werden in der kooperativen Provenienzdatenbank Looted Cultural Assets veröffentlicht. Open Access ermöglicht Nutzenden weltweit einen niedrigschwelligen Zugriff auf unsere Forschungsdaten und -ergebnisse. Außerdem besteht so die Möglichkeit, sich mit weiterführenden Informationen an unseren Forschungen zu beteiligen.

  • Mi, 10.04.2024

    Führung Tag der Provenienzforschung

    Uhrzeit 10:00 Uhr - 18:00 Uhr Ereignisort Treffpunkt
    Wir gehen bei vier Stadtspaziergängen auf Spurensuche. Provenienzforscher*innen aus acht Institutionen geben vor Ort Einblicke in ihre Arbeit.

Quellen zur Provenienzforschung in der Digitalen Landesbibliothek

Foto eines historischen Zugangsbuch in Handschrift aus dem Jahr 1944

Provenienzforschung

Eine Sammlung von für die Provenienzforschung relevanten, digitalisierten Quellen: Zugangsbücher der Berliner Stadtbibliothek (BStB), Adressbuch des Deutschen Buchhandels.

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Abbildung von einem Historischen Telefonbuch mit einem Telefonhörer und einer Wählscheibe mit der Aufschrift Berlin <Ost | West>

Adress- und Telefonbücher

Hier können Berliner Adress- und Telefonbücher durchsucht werden:

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  • Finsterwalder, Sebastian: Bibliothekarische Provenienzforschung in Deutschland, an der Zentral- und Landesbibliothek Berlin und der kolossale Detlef Bockenkamm. In: Retour - Freier Blog für Provenienzforschende, 2023. / Link zum Volltext

  • Finsterwalder, Sebastian: Es ist uns bekannt. Statusbericht zum „Zugang J“ der Berliner Stadtbibliothek. In: Beredte Objekte – Provenienzforschung zu NS-Raubgut. (Trumah. Zeitschrift der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg : Band 26). Heidelberg: Winter, 2023. S. 41-46

  • Hirschmiller, Peter: Provenienzforschung: Makel oder Chance? In: AKMB-news, Bd. 28 Nr. 2, 2022.

  • Finsterwalder, Sebastian: Brücken bauen: Die Exlibris von Ernst G. Preuß. In: O-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal, Bd. 8 Nr. 4, 2021. / Link zum Volltext

  • Finsterwalder, Sebastian: Ten years in the making – the restitution of Benno & Martha Mühsam’s books. In: Retour - Freier Blog für Provenienzforschende, 2021. / Link zum Volltext

  • Finsterwalder, Sebastian, Prölß, Peter und Weber, Elisabeth: Von Brücken und Büchern. In: Retour - Freier Blog für Provenienzforschende, 2021. / Link zum Volltext

  • Finsterwalder, Sebastian: Louis Sachs & Herr Mai – provenance research as a means to empower remembrance. In: Retour - Freier Blog für Provenienzforschende, 2020. / Link zum Volltext

  • Bartoli, Antonia und Finsterwalder, Sebastian: The Challenge for Looted Libraries, a comparative approach to provenance research and restitution. Vortrag auf dem Colloquium "Vingt ans de réparation des spoliations antisémites pendant l’Occupation : entre indemnisation et restitution" in Paris am 15.11.2019.  / Link zum Volltext, Link zum Video

  • Kummer, Stephan und Narewski, Ringo: Ein Provenienznetzwerk deutscher Bibliotheken. In: MuseumsJournal, Bd. 1, 2019, S. 25

  • Finsterwalder, Sebastian: If you want to go far, go together. Experiences from cooperation in provenance research and restitution. In: Terezín Declaration – Ten Years Later. 7th International Conference. The documentation, identification and restitution of the cultural assets of WWII victims. Proceedings of an international academic conference held in Prague on 18 – 19 June, 2019. Prag: Documentation Centre for Property Transfers of Cultural Assets of WWII Victims, p.b.o., 2019. S. 142-146 / Link zum Volltext

  • Finsterwalder, Sebastian: Paris - Berlin - Paris. Sur la piste de livres spoliés en france par les nazis: comment les retrouver et les restituer. In: Poulain, Martine [Hrsg.]: Où sont les bibliothèques françaises spoliées par les nazis? Villeurbanne: Presses de l'Enssib, 2019. S. 109-119 / Link zum Volltext

  • Finsterwalder, Sebastian und Narewski, Ringo: Looted Cultural Assets : Werkzeug kooperativer Provenienzforschung. In: Lenhart, Markus Helmut und Scholz, Birgit (Hrsg.): Was bleibt? Bibliothekarische NS-Provenienzforschung und der Umgang mit ihren Ergebnissen. Graz: Clio, 2018. S. 95-105

  • Prölß, Peter: Bücherspuren : Die Bücher der Verfolgten in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. In: Weltzing-Bräutigam, Bianca (Hrsg.): Spurensuche : Der Berliner Kunsthandel 1933 - 1945 im Spiegel der Forschung. Berlin: be.bra, 2018. S. 79-93

  • Finsterwalder, Sebastian und Latza, Sina: Viel zu tun, wenig Zeit : Looted Cultural Assets - kooperative Provenienzforschung. In: Bibliotheksdienst 50 (2016), Heft 8, S. 712-724.

  • Finsterwalder, Sebastian und Prölß, Peter: Raubgut für den Wiederaufbau: die Berliner Bergungsstelle für wissenschaftliche Bibliotheken. In: Schölnberger, Pia und Loitfellner, Sabine (Hrsg.): Bergung von Kulturgut im Nationalsozialismus : Mythen - Hintergründe – Auswirkungen. (Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung ; 6). Wien: Böhlau, 2016, S. 331-357 / Link zum Volltext

  • Winkler, Maria und Prölß, Peter: Geraubt und genutzt. Bücher von verfolgten und ermordeten Juden in Berliner Bibliotheken. Berlin, 2014

  • Finsterwalder, Sebastian und Prölß, Peter: Tracing the rightful owners. Nazi-looted books in the Central and Regional Library of Berlin. In: Borák, Mečislav (Ed.): "The West" Versus "The East" or The United Europe? The different conceptions of provenance research, documentation and identification of looted cultural assets and the possibilities of international cooperation in Europe and worldwide. Prague, 2014. S. 92-102 / Link zum Volltext

  • Prölß, Peter: Buchwege. Projektergebnisse der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. In: Dehnel, Regine (Hrsg.): NS-Raubgut in Museen, Bibliotheken und Archiven. Viertes Hannoversches Symposium. Frankfurt am Main, 2012. S. 455 - 472 / Link zum Abstract

  • Gerlach, Annette und Prölß, Peter: Forschungs-Verbunddatenbank „Provenienzforschung“. In: Bibliotheksdienst 46 (2012), Heft 1, S. 15-21.

  • Gerlach, Annette: Provenienzrecherchen im Bestand der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. In: Bibliothek: Forschung und Praxis, 36. Jg. (2010), Heft 1, S. 57 - 59

  • Gerlach, Annette: Die Recherche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut im Bestand der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Ein Werkstattbericht. In: Koordinierungsstelle Magdeburg (Hrsg.): Die Verantwortung dauert an. Beiträge Deutscher Einrichtungen zum Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut. Magdeburg, 2010. S. 75-90

  • Bockenkamm, Detlef: Geraubt. Die Bücher der Berliner Juden. Berlin, 2008

  • Dürr, Michael und Gerlach, Annette (Hrsg.): Raubgut in Berliner Bibliotheken. Berlin, 2007